Als selber nicht-Anwender von Fussnoten gebe ich trotzdem zu bedenken, dass das ein «Seich» wärfe, wenn dieses Feature rausfliegen würde.
Mein Sohn studiert seit nun zwei Jahren an der University of Edinburgh Geschichte. Er hat praktisch alle drei Wochen ein «akademisches» Essyay abzuliefern (dh. er muss mindestens 10 unterschiedliche Quellen durchgeackert haben und pro Seite auch mindestens eine Fussnote abliefern. Mit dem Office-Programm funktioniert das perfekt, mit Scribus ohne wird wohl kein Student je solche Ausbildungs-Arbeiten, geschweige denn echte Dissertationen erstellen.
Lieber Arran, deinetwegen habe ich mich gerade in diesem Forum angemeldet - wenn hier ein altgedienter Satzprofi mitdiskutiert, der sich mit Ciceros und Waisenkindern auskennt, dann besteht die Chance einer sinnvollen Verständigung.
Deine Bemerkung zu den akademischen Arbeiten deines Sohnes erinnert mich allerdings an eine Diskussion in irgendeinem englischen Forum gegen Ende der 1990er Jahre (lange bevor es Scribus gab): Jemand, der sich damals für seine Diplomarbeit das Programm Pagemaker gekauft hat, war völlig fassungslos, als er zur Kenntnis nehmen musste, dass Pagemaker keine Fußnotenfunktion hat. Auch QuarkXPress und InDesign und die meisten weniger bekannten Konkurrenzprodukte hatten das damals nicht.
In den 1980er Jahren entstanden Office-Textverarbeitungsprogramme als Substitut für die Schreibmaschine. Zu den großen Vorteilen digitaler Textverarbeitung gehörte die Möglichkeit der Verwaltung von Fußnoten. DTP-Programme hingegen entstanden als Substitut für das, was im Bleisatz die Mettage und im Fotosatz die Seitenmontage war: also als Ersatz für Leuchttisch, Skalpell, Klebstoff usw. Sie waren gemacht für die flexible Gestaltung von Seiten (Plakate, Flyer, Zeitschriften usw.) mit Text und Bildern, die man als Objekte auf einer auf dem Bildschirm liegenden Seite platziert - also für den manuellen, nicht für automatisierten Seitenumbruch. Für den Werksatz waren die meisten DTP-Programme nicht gemacht; Fußnotenfunktionen hatten nur Ventura sowie der in erster Linie für technische Publikationen gedachte Framemaker. Die "altmodischen" Fotosatzsysteme, wo man Befehlscodes eingeben musste, waren für den Werksatz viel, viel besser. Heute werden für die automatisierte Erstellung von hochklassigem komplexen Werksatz mit Fußnoten, Marginalien usw. im professionellen Bereich meist Programme wie z.B. Arbortext (ehemals 3B2) eingesetzt - das kostet einen fünfstelligen Betrag. Sie sind gemacht für Anwender, die damit Geld verdienen, und sie können alles, was man sich wünscht. Die Aufnahme von Fußnotenfunktionen in InDesign und QuarkXPress erfolgte erst vor etwa zehn Jahren.
Für akademische Arbeiten ist die beste Alternative zu Office-Programmen nach wie vor LaTeX. Das kann zwar nicht alles, was Arbortext kann, aber doch enorm viel. Der Nachteil ist: Wenn man mit LaTeX eigene Gestaltungen realisieren möchte, muss man programmieren. So etwas habe ich schon gemacht. Für typische akademische Arbeiten ist LaTeX jedoch schon "out of the box" viel besser als alles andere.
Das Problem ist doch: Eine professionelle, über die Möglichkeiten von Office-Textverarbeitungen hinausgehende Fußnotenfunktion muss sehr komplexe Anforderungen erfüllen. Es genügt nicht, Text irgendwie nach unten zu stellen. Ich nenne nur eine: Korrekter Fußnotensatz erfordert, dass eine Fußnote, die üblicherweise in kleinerem Schriftgrad als die Grundschrift gesetzt wird, an der Unterkante des Satzspiegels an der untersten Schriftlinie ausgerichtet wird - nicht nach der Unterlänge. Soweit ich sehe, bietet Scribus 1.5 diese Möglichkeit nicht, und Office-Programme machen es natürlich auch nicht - die kennen gar keine Schriftlinien und füllen die Seite bis zur Unterlänge. LaTeX macht es selbstverständlich automatisch korrekt.
Eine Fußnotenfunktion ist nicht das Wichtigste, was ich mir von Scribus wünsche, weil es für den Satz von Werken mit Fußnoten im Bereich der freien Software die insgesamt viel bessere Alternative LaTeX gibt.
Vielmehr wäre ich heilfroh, wenn Scribus wenigstens die elementaren Satzfunktionen böte, die QuarkXPress 4 im Jahr 2000 hatte: vertikaler Keil, Absatzlinien (die man für Dachzeilen in Zeitungen oder Zeitschriften braucht), verschiedenen Einstellungen für die Silbentrennung in Absatzformaten usw. All das fehlt in Scribus leider, man bleibt auf umständliche Workarounds angewiesen.