In diesem Forum ist verschiedentlich danach gefragt worden, wie man beim Import von Texten aus Office-Programmen auch Formatierungen übernehmen kann. Auf diese Frage gibt es tatsächlich keine befriedigende Antwort: Man sollte das nicht tun. Textverarbeitung ist Textverarbeitung, und Layoutprogramm ist Layoutprogramm. Eine Übernahme von Formatierungen vom einen ins andere ist nicht sauber zu machen.
In einem anderen Thread dieses Forums, der sich auf eine Frage dieser Art bezog, schrieb Arran:
Arran empfiehlt also, grundsätzlich immer nur reine, unformatierte Textdateien zu laden und die Formatierungen in Scribus vorzunehmen.Wenn du den Text hast solltest Du ihn grundsätzlich OHNE Formatierungen kopieren und einfügen. Ich persönlich erwarte eigentlich nur *.txt-Dateien, die können per se keine Formatierungen haben. Notwendigerweise kopiere ich sie aus LibreOffice zuerst in einen einfachen Editor, dabei sind aller Formatierungen verschwunden und anschliessend dann in Scribus.
Lieber Arran, in diesem Punkt muss ich dir widersprechen - und zwar gestützt auf die Arbeitsweisen professioneller DTP-Praxis. In Zeitschriftenverlagen, die unter Zeitdruck z.B. Wochenmagazine publizieren, wäre es viel zu ineffizient und fehlerträchtig, wenn die Layouter unformatierten Text laden und dann mit viel Klicki-Klicki formatieren müssten.
Professionelle Layoutprogramme bieten seit Jahrzehnten Funktionen, die es ermöglichen, Text so zu laden, dass er direkt komplett formatiert in den Textrahmen einläuft. Natürlich geht das in der Tat nicht mit formatierten Dokumenten aus Office-Programmen, sondern es werden sogenannte Markup-Sprachen verwendet, die den Kommandosprachen früherer Fotosatzsysteme ähneln (und teilweise auch mit HTML vergleichbar sind).
Aber gehen wir zurück zum Bleisatz: Da bekam der Setzer ein Manuskript, das zuvor von einem Arbeitsvorbereiter mit Auszeichnungen versehen worden war. Das heißt: Der Arbeitsvorbereiter hat an den Rand geschrieben, was z.B. eine Kapitelüberschrift oder eine Abschnittsüberschrift ist oder was kursiv zu setzen ist usw. In einer Satzanweisung war definiert, wie eine Kapitelüberschrift oder eine Abschnittsüberschrift zu setzen ist (Schriftart, Zeilenabstand usw.). Diese Anweisungen führte der Setzer dann aus.
Im DTP-Satz ist das Manuskript üblicherweise eine vom Verlag (Redaktion/Lektorat) erstellte Textdatei. Dabei bieten gute Programme die Möglichkeit, die gewünschten Textauszeichnungen als "Markup" in diese Textdatei einzufügen, das vom Programm gelesen wird.
Ich erläutere das am Beispiel QuarkXPress, das eine gut handhabbare Markup-Sprache namens "XPress-Marken" enthält. Eine Textdatei kann dann so aussehen:
Code: Alles auswählen
@head:Dies ist die Überschrift
@body:Nun folgt der Grundtext. In ihm kommen gelegentlich <@emph>kursive<@$> Hervorhebungen vor. – Befehlsmarken mit Dollarzeichen schalten auf die Grundeinstellung zurück.
Wenn ein neuer Absatz beginnt und keine Marke vorangestellt ist, wird automatisch das vorige Absatzformat angewendet.
Geht das auch in Scribus? Ja, aber leider nur eingeschränkt - leider nur mit Absatzstilen, nicht mit Zeichenstilen. Das ist eine der merkwürdigen Inkonsequenzen und Halbherzigkeiten, die mir in Scribus immer wieder auffallen.
Scribus bietet seit langem die Möglichkeit, selbst Importfilter zum Laden von Text mit Absatzformaten zu definieren. Das ist hier beschrieben:
http://wiki.scribus.net/canvas/Text_imp ... ormatieren
Dieses Verfahren ist leider etwas umständlich. Und es funktioniert, wie gesagt, leider nur mit Absatzstilen, nicht mit Zeichenstilen: Es steht nur die Option "Absatzstil" zur Verfügung. Dass ein Auswahlmenü vorhanden ist, lässt vermuten, dass wohl auch die Auswahl "Zeichenstil" geplant war, aber nie implementiert worden ist. Das finde ich sehr ärgerlich.
Die Entwicklungsversion 1.5 bietet - leider auch nur rudimentär - auch den Import des klassischen XPress-Markenformats von Quark an. Damit wäre es möglich, den oben dargestellten Beispieltext formatiert zu laden, ohne erst selbst Filterregeln definieren zu müssen. Leider werden auch hier nur die Absatzstile unterstützt, keine Zeichenstile. Ich hoffe, dass sich das noch ändert.
Was ist der Vorteil eines solchen Verfahrens? Es liegt auf der Hand: Wenn man ein umfangreiches Werk erstellt, also ein Buch oder eine Zeitschrift, dann kann man sich durch effiziente Arbeitsvorbereitung viel Geklicke und Gepfriemel im Layout ersparen. Bei der Vorbereitung des Texts konzentriert man sich auf diesen: Was sind seine Strukturelemente? Bei der Erstellung/Redaktion des Texts in einem Textverarbeitungsprogramm kann man die Befehle für die gewünschten Formatierungen auf Shortcuts legen. Sie werden als Klartext eingefügt - so wie man in einem HTML-Dokument die Auszeichnungen als Tags im Klartext erfasst -, das Ganze wird als reiner Text gespeichert. Im Layout werden die erforderlichen Stilvorlagen angelegt, und dann flutscht der Text fertig formatiert in den Textrahmen.
Wie gesagt: LEIDER funktioniert das in Scribus - anders als in QuarkXPress oder InDesign - nur mit Absatzstilen. Dummerweise muss man anschließend beispielsweise kursiv hervorzuhebende Stellen im Layout suchen und manuell formatieren. Das ist leider so ein Beispiel, wo in Scribus eine an sich sinnvolle Funktion durch inkonsequente Implementierung entwertet wird. Das sollte man nicht beschönigen, sondern nach Möglichkeiten suchen, die Entwickler darauf hinzuweisen. Ich meine, man muss auch über die Grenzen und Mängel von Scribus reden können.
Wenigstens bietet Scribus auf dem gegenwärtigen Entwicklungsstand aber schon die Möglichkeit, einen Text zu laden, der von vornherein wesentlich aufgeräumter aussieht, als wenn man reinen Text importiert und dann alles "zu Fuß" formatieren muss.