Trauer

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Arran
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Trauer

Beitrag von Arran »

Ich bin schon sehr bestürtzt, dass das EU-Parlament gestern innert weniger Monaten ihren Entscheid die Copyright-Reform zu versenken komplett umgedeht hat.

Aus Pro-Linux DE

Europäisches Parlament lässt miserable Copyright-Reform passieren

Die umstrittene Copyright-Reform wurde gestern von einer Mehrheit des Europäischen Parlaments angenommen. Zwar ist damit noch keine endgültige Entscheidung gefallen, doch nun drohen Upload-Filter, die jeglicher Willkür die Tore öffnen, und ein Leistungsschutzrecht.
Von Hans-Joachim Baader

Die europäische Copyright-Reform ist bereits seit mehr als zwei Jahren geplant und wurde von zahlreichen Organisationen, darunter Mozilla, heftig kritisiert. Die Kritiker halten die Vorlage einhellig für absurd. Der Vorschlag der Europäischen Kommission würde die nach Meinung von Mozilla rückständigen Copyright-Vorschriften unangetastet lassen und »normale kreative Online-Aktivitäten« illegal machen, Innovationen lähmen und Technologieunternehmen hart treffen. Er lässt alles missen, was eine moderne Reform bringen sollte. So fehlen Ausnahmen vom Copyright für die Bildung und die Erhaltung des kulturellen Erbes weitgehend. Ausnahmen für die Analyse von Texten und Daten sind auf öffentliche Forschungseinrichtungen beschränkt. Genauso fehlen Ausnahmen für Panoramen, Parodien und Kombination mit eigenen Werken (Remixe).

Die kritisierten Teile des Entwurfs sind die Artikel 11 und 13. Artikel 11 will selbst kleinste Ausschnitte aus Online-Texten 20 Jahre lang schützen, also ein Leistungsschutzrecht einführen, was laut Mozilla bereits in Deutschland und in Spanien kläglich gescheitert ist. Artikel 13 will Internet-Plattformen für die Inhalte ihrer Nutzer haftbar machen, was zwangsläufig zur Installation von Content-Filtern und Zensur führen wird. Denn was gefiltert wird, ist beliebig und wird massenhaft zu fälschlich oder willkürlich unterdrückten Inhalten führen. Betroffen wären praktisch alle, selbst Code-Hosting-Plattformen wie Github. Unterstützt wird der Entwurf lediglich von den Medienkonzernen und einigen Künstlervereinigungen. Dort dürfte der Text auch formuliert worden sein.

In der gestrigen Abstimmung kam eine klare Mehrheit von 438 zu 226 Stimmen für die von CDU-Politiker Axel Voss propagierte Richtlinie zustande, nachdem das Parlament im Juli die Vorschläge noch zurückgewiesen und eine erneute Abstimmung nötig gemacht hatte. Wie Netzpolitik.org allerdings anmerkt, ist der Kampf noch nicht verloren, da die Gesetzgebung damit noch nicht abgeschlossen ist. Es steht noch eine finale Abstimmung bevor, bei denen das EU-Parlament die Urheberrechtsreform noch verhindern kann. Diese Abstimmung soll noch vor der Europawahl im Mai 2019 stattfinden, zuvor wird hinter verschlossenen Türen zwischen Vertretern des Parlaments, der EU-Kommission und des Rates der Mitgliedsländer der endgültige Text ausgehandelt. Auch Mozilla weist darauf hin, dass nach »diesem traurigen Tag« die Entscheidung noch nicht endgültig ist, und kündigt an, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um eine bessere Reform zu bewirken.
Ein Cicero muss nicht zwangsläufig 12 Punkte haben, wie ein Waisenkind auch nicht immer im Heim leben muss.
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Arran
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Re: Trauer

Beitrag von Arran »

Noch ist nicht alles verloren, denn noch müssen die Vertreter aller Länder dieses Dekret einstimmig genehmigen. Es gibt einige Länder, die dem EU-Vorgehen äusserst kritisch gegenüber sind. Soviel ich mitbekommen habe, auch eine ziemlich grosse Anzahl von deutschen Abgeordneten.
Es macht sicher Sinn, sich nun auch mal politisch zu engagieren und den Kampf gegen diesen Megafurz zu unterstützen und gleich ALLEN Abgeordneten (parteiübergreifend) im eigenen Wahlkreis mitteilen, dass man sie als Vertreter im Parlament bittet, Deine Meinung zu vertreten und für die Ablehnung stimmen soll.
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Lehrerin
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Re: Trauer

Beitrag von Lehrerin »

Als betroffene Autorin sehe ich das anders.
Normalerweise wird im Internet geklaut, wo es geht. Der Hintergrund ist die Haltung, im Internet müsse alles kostenlos sein. Wenn ein Sachbuchautor nach oftmals jahrelanger (und teurer!) Recherche seine Ergebnisse veröffentlicht, möchte er nicht direkte Scans oder "Nacherzählungen" kurz darauf im Netz finden, während seine Bücher unverkauft bleiben. Das ist aber im Moment die Realität.
Es gibt auch die "Möglichkeit", wenn man ein bestimmtes Zitat nach dem Zitatrecht verwenden möchte, den "Blick ins Buch" bei Google oder Amazon-Kindle (wenn es das E-Book gibt) aufzurufen, in der Hoffnung, dass man die richtige Stelle hat und man sich so den Kauf des Buchs sparen kann. Im übrigen kann man sich jedes Buch in einer Bibliothek ausleihen, dann braucht man es auch nicht zu kaufen, aber die Autoren werden entsprechend entschädigt.
Aus der Sicht von uns Autoren bringt das neue Gesetz nur Verbesserungen, für das Forum hier dürfte sich aber gar nichts ändern, denn es macht im Prinzip den aktuellen deutschen Standard zu europäischem Recht.
Die Hetze dagegen kann nur von Menschen kommen, die sich ungestraft und unbezahlt beim geistigen Eigentum Anderer bedienen wollen - und damit meine ich nicht dich, sondern den Menschen, den du da zitiert hast.

Gruß
Lehrerin
Ein Hobby ist eine Plackerei, auf die man sich für Geld nie einlassen würde. :pluseins:
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Anke
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Re: Trauer

Beitrag von Anke »

Ich sehe es ähnlich wie Lehrerin. Im Internet wird alles mögliche herunter geladen, ohne zu überlegen, wie lange der Autor bzw. der Künstler wohl daran gesessen hat, um das zu schreiben bzw. zu zeichnen, Entwerfen, designen, setzen ... .
Auf der anderen Seite ist die das neue Urheberrecht auf Verlage zugeschnitten, die eigentlich nur ihre eigene Haut retten wollen. Dabei sind Verlage nichts anderes als Zwischenhändler. Aber zu solch einem Verlag muss man gehören, wenn man als Autor auch von Institutionen wie z.B. Künstlerkrankenkassen anerkannt werden will. Also hat man die ganze Arbeit und am Ende bekommt man irgendwas bei 800 € für die erste Auflage von 2000 Büchern und dann 1 € für jedes weitere Buch. Ich frage mich, wie ein Autor davon leben kann.
Ich muss mir jedoch Gedanken machen, welche Auswirkungen das neue Gesetz auf die Gimp-Werkstatt und auf Scribus-User haben wird.
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Julius
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Re: Trauer

Beitrag von Julius »

Moin!

Auch wenn die Abstimmung bzw. die Debatte ein wenig her ist, so will ich dennoch auch meinen Senf dazugeben.

Lehrerin, deine Aussage, dass der aktuelle deutsche Stand quasi in Europarecht überführt wird, ist kompletter Quatsch und zeigt, dass du dich nicht mit der Reform auseinandergesetzt hast und leider dem seligen Geblubber der Verlags-Lobbyisten auf den Leim gegangen bist und schön alle Gegner dieses Vorschlags pauschal als Hetzer bezeichnest. Es geht den wenigsten Gegnern dieser Reform nicht darum, Urheber zu enteignen, wie Herr Voss das so vor sich hin fantasiert, sondern um ein modernes Urheberrecht. Journalisten, Kreative und Urheber allgemein sind für die nur der Vorwand, den großen Medienunternehmen ihre Wünsche zu erfüllen. Auf der Fakten-Ebene haben die nichts vorzuweisen, sie schieben nur die Schwächsten im System als Grund vor und lassen sie dann fallen.
  • Eine direkte Haftbarkeit der Plattformen für Inhalte der Nutzer gibt es in Deutschland nur nach Kenntniserlangung über illegale Inhalte, nicht sofort und unmittelbar. Gerade für kleine Plattformen funktioniert das gut. Große Unternehmen wie Google, Youtube und Twitter haben längst technische Maßnahmen ergriffen und / oder Lizenz-Abkommen abgeschlossen, ähnlich wie das der Richtlinienentwurf fordert.
  • Die verpflichtende Wahl Uploadfilter oder Lizenzierungspflicht ist in Deutschland nicht vorgeschrieben, es reicht ein Notice-and-Takedown-Verfahren.
  • Das Leistungsschutzrecht (Artikel 11) ist verschärfter als in Deutschland: Es gilt nicht nur für Aggregatoren (z.B. Google News), sondern quasi für alles, was online ist. Es enthält zudem keine Verbesserungen, die ein Scheitern wie in Spanien und Deutschland verhindern würden. In Deutschland haben die Zeitungsverlage Google eine Gratis-Lizenz erteilt, was kleine, innovative Dienste benachteiligt und Googles Monopol zementiert. In Spanien haben vor allem die kleineren Zeitungsverlage einen Einbruch der Aufrufzahlen zu beklagen, weil viele Nutzer über Aggregatoren auf ihre Seiten gekommen. Es wäre eine Win-Win-Situation, wenn die Zeitungsverlage nicht vor langem den digitalen Wandel verpennt haben, jetzt bei der Werbung von Google abhängig wären und rumheulen statt sich was zu überlegen. Ein Leistungsschutzrecht würde zudem überwiegend dem Axel-Springer-Verlag zugute kommen, der meiner Ansicht an der Polarisierung der Gesellschaft durch Verbreitung Fake-News und tendenziöse Berichterstattung nicht gerade unschuldig ist (So viel dazu, dass das LS Fake-News in seiner Verbreitung einschränken würde.).
  • Was im LS als Textauszug erlaubt ist, ist wie in Deutschland nicht eindeutig definiert und kann dazu auch noch von jedem Mitgliedsland frei festgelegt werden, was chaotisch werden dürfte und nicht im Sinne einer EU-weit einheitlichen Regelung sein dürfte. Meiner Meinung nach ist es ein schlechtes Gesetz, wenn erst einmal jahrelang durch alle Instanzen geklagt werden muss, um herauszufinden, was denn jetzt „geringfügig“ ist.
Die Upload-Filter werden von den ganzen „Raubmordkopier“-Plattformen auch garantiert implementiert. Ganz sicher ;-).
Ganz ehrlich: Diese illegalen Plattformen sind Ausdruck dessen, dass die Rechteverwerter nicht begriffen haben, was die Nutzer wollen.
Zig Streaming-Dienste für Filme und Serien, die man theoretisch alle abonnieren müsste, um das komplette Angebot zu haben? Das sieht niemand ein. Ich für meinen Teil kaufe DVDs. E-Books kosten genauso viel wie gedruckte Bücher, sind mit DRM verdongelt (und damit nur auf bestimmten Geräten benutzbar, die dann auch noch den Nutzer ausspionieren, und man hängt von der Gnade des Herstellers ab) und nicht übertragbar oder verleihbar? Nimmt auch niemand ernst. Ich für meinen Teil kaufe deshalb Bücher auf Papier.

Musik-Tauschbörsen sind quasi nicht mehr existent, seit man legal bei jedem Anbieter fast das ganze Sortiment streamen oder (überwiegend DRM-frei) kaufen kann! Es geht also, Nutzer zum Zahlen zu bewegen, man muss ihnen nur die passenden Angebote bieten.

Der richtige Spaß dürfte dann nach der Richtlinie losgehen – „Die Filter gibt es doch eh schon!!!“, weil u.a. unser Innen-Horst Schnelllöschungen für Terror-Propaganda will. Es mag sein, dass das auf großen Plattformen ein Problem ist, für kleinere Plattformen wie diesem Forum – bekanntlich ein Hort des Terrors ;-) – wäre so etwas ein nicht zu rechtfertigender Extra-Aufwand.

Ich wünsche uns allen viel Spaß in einem Internet, in dem zunehmend Maschinen bestimmen, was wir zu sehen bekommen. Klappt ja so prima das mit den Maschinen. Wie bei der Frau, die in den USA von einem „Autonomen“ Auto überfahren wurde.

Julius

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